Die Kooperative „GartenCoop Freiburg“ startet in die 8. Saison

von Friedhelm Blauer und Camille Hecker

Die Kooperative „Gartencoop Freiburg“ stellt sich, ihre Organisation und Arbeit vor. Im Fokus steht dabei das Konzept der „solidarischen Landwirtschaft“ und wie dadurch eine resilientere Wirtschaftsweise entsteht, die Unabhängigkeit vom freien Markt gewährleistet.

Vor nunmehr neun Jahren haben ein dutzend GärtnerInnen, Studierende, UmweltaktivistInnen und Arbeitslose mit dem Projekt begonnen, in Freiburg eine Kooperative der „solidarischen Landwirtschaft“ aufzubauen. Nach einigen turbulenten Jahren besteht eine Kooperative, die derzeit wöchentlich 260 Haushalte versorgt als Kontrapunkt zu einer teils tristen, teils perversen und nur selten inspirierenden Lebensmittelpolitik und Produktionsweise. Für die kommende Saison 2018 sucht die Initiative noch MitstreiterInnen. Der Artikel will einen kleinen Einblick in die SoLaWi-Bewegung geben anhand der Gartencoop geben, die Szene um Freiburg beschreiben und euch zum Mitmachen auffordern …

Krumme Gurken, in Tunsel gepflückt

„Als wir 2011 endlich Land gefunden hatten, waren wir schon weit über ein Jahr auf der Suche gewesen. Vermutlich war es ein Glück, dass soviel Zeit verging, denn wir konnten mit über 150 Mitgliedschaften in die erste Saison starten“ erinnert sich die Gärtnerin Jutta Sorgenlos an den Beginn der Initiative. Nach Exkursionen zu anderen Kooperativen etwa in der Schweiz und nach Norddeutschland konnte das Konzept einer selbstorganisierten Versorgung mit Gemüse und eine Kritik and der rein marktwirtschaftlich organisierten Agrar- Branche in die Praxis getragen werden. Das Filmkollektiv „Cinerebelde“ drehte in der Anfangszeit den Film „die Strategie der Krummen Gurken“ der über Freiburg hinaus viel Resonanz erfuhr. Auf Radio Dreyeckland wurden zahlreiche Podcasts zur SoLaWi- Bewegung gesendet. Mit zahlreichen Kultur- und Infoveranstaltungen, Reisen, Vernetzungstreffen und dem Intensiven Austausch mit ähnlichen Initiativen wurde das Projekt zu einem wichtigen Akteur in der bundesweit boomenden Kooperativenbewegung. Mittlerweile umfasst das „Netzwerk Solidarische Landwirtschaft“ 160 Höfe „Als wir anfingen waren es zehn mal weniger“ erinnert sich Julian Erbse von der Gartencoop. Das Netzwerk ist alles andere als einheitlich und auch vom politischen her als „work in progress“ zu begreifen. Sein Wachstum zeugt jedoch von der Aktualität und dem zunehmenden Interesse an Fragen nach einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.

Seit 2011 sind auch in der Region um Freiburg ein halbes dutzend Initiativen entstanden: Das „Backhaus der Vielfalt“ und diverse landwirtschaftlich-gärtnerische Projekte; in Seefelden, Kirchzarten, Offenburg, Emmendingen, im Schwarzwald und am Kaiserstuhl. Neben der konkreten Verwirklichung kleinbäuerlicher Ökobetriebe wurden als öffentlichkeitsirksame Events ein sommerliches Agrikulturfest und eine Agrikulturwoche etabliert. Zusammenhänge wie die Agronauten, eine aktive Transition-Town-Gruppe und eine aktuelle Vernetzung zum Thema „SoLaWi weiterdenken“ zeugen von einer aktiven Szene die sich um die Auseinandersetzung mit Landwirtschaft und den Wandel der Ernährungspolitik jenseits von Supermarkt, Lobbyismus und Marktschwärmerei bemüht.

Nicht weiter in Richtung Abgrund

Der größere Hintergrund einer „neuen Kooperativenbewegung“ ist zweifelsohne das Abebben der Globalisierungs- (und damit Agrarindustrie-) kritischen Bewegung nach der Jahrtausendwende. Für einige der InitiatorInnen der Gartencoop stellte der Aufbau praktischer Alternativen und die Verwirklichung eines möglichst autonomen Hofes mit radikal-ökologischen Zielen eine konstruktive Ergänzung zu oftmals aufreibenden und konfrontativen Haltungen gegenüber einem allmächtig erscheinenden System dar. Selbstermächtigung von Unten, statt der Bevormundung durch mächtige, unsolidarische Strukturen, war, zumindest für die politischeren SoLaWis, ein dominierendes credo.

Die Veröffentlichung des Welt-Agrarberichtes 2008 zeigte unweigerlich auf, dass das Ernährungssystem und mit ihm auch die soziale und ökologische Balance in einer Sackgasse stecken, beziehungsweise geradezu gegen die Wand zu preschen drohen. Verheerend war die vom Weltagrarrat (IAASTD) skizzierte Lage – erstmalig in größerem Umfang auch wissenschaftlich belegt und in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Sei es in Klimafragen, der Frage der Einflussnahme der Chemiekonzerne zugunsten der „grünen“ Gentechnik, dem Landgrabbing, der Abholzung der Urwälder oder in Sachen Lebensmittelspekulation – ein „weiter wie bisher“ wäre eine „Katastrophe mit Ansage“. Einer der wesentlichen Schlüsse muss bei der Energiebilanz die die globale Ernährungskette aufzeigt, eine radikale Relokalisierung der Lebensmittelfrage sein. Es braucht ab sofort mehr kleinteilige und ökologische Betriebe. Und: Es braucht eine sozialere Landwirtschaft, die das ewige Wachstum hinterfragt und patriarchale Strukturen umwälzt. Zwar wird die Auseinandersetzung mit den GegnerInnen einer solidarischeren Landwirtschaft und den FeindInnen unserer Kritik an freier Marktwirtschaft mir ihren verheerenden Folgen weltweit nicht ausbleiben. Dennoch setzen Solidarhöfe vielerorts Modelle um, die Wege ebnen, für einen Wandel dieser Verhältnisse. Wichtig erscheint dabei die Herstellung von Bezügen zu weit härter von der Agrarkrise betroffenen Menschen, die sich etwa im Rahmen von Landlosenbewegungen und KleinbäuerInnen- Verbänden weltweit organisieren. Das lokale Handeln unserer Initiative liegt dem Gedanken der Globalisierung von Solidarität zugrunde.

Ernährungswende selber machen!

Grundprinzipien der Gartencoop sind neben dem kollektiven Eigentum der landwirtschaftlichen Infrastruktur (die durch Einlagen der Mitglieder finanziert werden) eine Solidarökonomie im Bezug auf die laufenden Kosten des Projektes. Bei uns legen alle Mitglieder den jährlichen Beitrag den sie für die Produktion in der Landwirtschaft einbringen können und wollen selber fest. Die Produktion zu sichern, nicht das einzelne Produkt zu finanzieren, ist ein Grundsatz. Somit streben wir nicht nur einen „guten Anbau“ (weite Fruchtfolgen, maximale Vielfalt mit über 70 Kulturen, eigene Düngerproduktion durch Kompostarbeit und Mutterkuhhaltung, ausschließlich samenfeste Sorten u.a.) an, sondern wollen eine Gemeinschaft aufbauen die im Sinne eines solidarischen Wandels auch die Arbeitsbedingungen der Arbeitenden in der Lebensmittelproduktion fortschrittlich gestaltet und Mitbestimmung ermöglicht.

Wesentliche Entscheidungen zur Ausrichtung und dem Finanzplan der Kooperative werden auf der jährlichen Mitgliederversammlung gefällt. Im Alltag entscheidet die basisdemokratische Kooperativen-Koordination (KoKo), die für Beteiligung allen Mitgliedern offen steht. Arbeitsgruppen (zu Bildung, Verarbeitung, Heilkäutern, Logistik, Finanzen, IT, Öffentlichkeitsarbeit, Selbstverständnis, Kochen u.a.) arbeiten konstant an der Weiterentwicklung des Projektes. Derzeit sind sieben GärterInnen und drei Menschen im sogenannten „Support-Team“ in der Kooperative angestellt. Neben der Mitbestimmung aller Beteiligten steht aber auch das praktische Anpacken aller Mitglieder im Fordergrund. Es ist nicht angestrebt eine romantisierte Verklärung bäuerlicher Arbeit zu fördern sondern möglichst viele Menschen mit den Realitäten der Landwirtschft zu konfrontieren und an die Problematiken heranzuführen. Somit steht die Bildung und das Teilen von Fähigkeiten im Zentrum des Projektes.

Neben regelmäßigen Einsätzen auf dem Hof wird auch die Verteilung der Lebensmittel von den Mitgliedern der Kooperative in die Hand, beziehungsweise auf die Fahrradanhänger genommen. Jeden Donnerstag verteilt die Kooperative im gesamten Stadtgebiet, was die Saison gerade hergibt. Und damit wären wir beim letzten wesentlichen Punkt: Wir teilen uns die Ernte – aber auch die Risiken der Landwirtschaft. Die SoLaWi will eine resilientere Wirtschaftsweise bei der eine Versorgung unabhängig vom spekulativen Geschehen des freien Marktes existieren kann und ein großer Kreis an Menschen miteinander solidarisch für eine verantwortungsvolle Ökonomie eintritt.

Die gut 9 Hektar Pachtflächen, Hofstelle und Stallungen die vom landwirtschaftlichen Betrieb „Grünzeug GmbH“ in enger Kooperation mit dem „Gartencoop e.V.“ organisiert werden, befinden sich 18 Kilometer südlich von Freiburg und sind mit Bus und Bahn entlang der Rheintalstrecke in einer knappen halben Stunde von Freiburg aus zu erreichen. Für viele Mitglieder ermöglicht der Ritt auf den Acker auch einen Schnitt im Kontrast zum getakteten Alltag – nicht zuletzt um festzustellen, dass auch in der Landwirtschaft Takt benötigt wird, wenn auch ein anderer.

Wir freuen uns über neue Mitgliedschaften die unser Projekt einer Ernährungsautonomie in der Region voranzubringen helfen. In den kommenden Wochen sind Infoveranstaltungen geplant, mehr Informationen findet ihr auf der Homepage www. gartencoop.org.