Was ging auf der Podiumsdiskussion am Montag den 16.07.2018 zum Thema „Alle verdächtig – kein Datenschutz für Student*innen?“, die vom StuRa der Uni Freiburg organisiert wurde?
von Amina Günter
Eine kleine Zusammenfassung vom StuRa über die aktuelle Sachlage: Die Verwaltungsgerichte in Berlin und Freiburg lehnten in erster Instanz den Antrag auf Rechtsschutz der Verfassten Studierendenschaft der Uni Freiburg ab. Ende August 2017 wurde bei Hausdurchsuchungen wegen des Verbots der Internetplattform linksunten.indymedia.org zufällig ein Datenträger der Verfassten Studierendenschaft (VS) der Uni Freiburg beschlagnahmt, weil deshalb nicht ausgeschlossen werden könne, so die Sicherheitsbehörden, dass dort auch Daten enthalten sind, die das Verbot der Internetplattform stützen könnten. Es handelte sich um eine verschlüsselte Sicherheitskopie, die bei einem Mitarbeiter der VS extern aufbewahrt worden war.
Seither liegen die Daten aller 25.000 Student*innen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der gesamten Selbstverwaltung sowie eines Jahrgangs der PH Freiburg beim Bundesamt für Verfassungsschutz, das im Auftrage des Bundesinnenministers die Daten auswerten will. Was nicht gelingt. Denn die Verschlüsselung hält nun schon den neunten Monat den Öffnungsversuchen des Verfassungsschutzes stand. Und die VS wurde von ZENDAS, einer universiätsinternen Prüfeinrichtung des Rektors, ausdrücklich für ihre gute datenschutzgerechte Verschlüsselung gelobt. Weil aber mit jedem Tag die Gefahr der Entschlüsselung wächst, hat die VS bei den Verwaltungsgerichten in Freiburg und Berlin beantragt, den Sicherheitsbehörden zu verbieten, die Sicherheitskopie zu entschlüsseln und auszuwerten. Bisher vergeblich.
In dieser Veranstaltung geht es jenseits juristischer Detailfragen in erster Linie darum, die Problematik der beabsichtigten verdachtslosen Auswertung dieser Daten durch Polizei und Verfassungsschutz darzulegen. Es sollte nachvollziehbar sein, dass die beabsichtigte geheimdienstliche Durchleuchtung eines Backups mit Daten über alle Studierenden der Universität und des dort befindlichen „Fußabdrucks“ ihrer Aktivitäten in den vielen universitären Gremien und Arbeitskreisen etc. größte Sorge vor geheimdienstlicher Überwachung auszulösen geeignet ist. Hierdurch ist die Mitwirkung möglichst vieler Studierender am politischen Leben der Universität und deren Selbstverwaltung in höchstem Maße gefährdet. Denn wer wird sich noch unbefangen am politischen Leben der Universität mit seinen durchaus gesellschaftlich kontroversen Diskussionen beteiligen, wenn er oder sie befürchten muss, dass die Sicherheitsbehörden, namentlich der Verfassungsschutz, ein Auge hierauf haben und die Daten dort landen können.
Elisabeth Albrecht (AKJ) moderierte die Veranstaltung, der Anwalt der VS, Dr. Udo Kauß, Vorsitzender der Humanistischen Union LV Baden-Württemberg, sowie der Geheimdienstexperte und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte Dr. Rolf Gössner, Bremen, nahmen an der Veranstaltung teil. Dessen eigene und gerichtlich für rechtswidrig befundene Langzeitüberwachung durch den Verfassungsschutz hat vor 40 Jahren hier an der Universität Freiburg begonnen. Weiter gehört zum Podium gehören Phillip Stöcks vom Vorstand des Studierendenrates (StuRa). Die eingeladenen Sicherheitsbehörden sagten für die Veranstaltung ab.
Philipp Stöcks eröffnete die Podiumsdiskussion mit der Schilderung der aktuellen Lage im Prozess zur Beschlagnahmung eines Datenträgers der Verfassten Studierendenschaft der Uni Freiburg.
Die Begründung liegt nur darin, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass jemand verdächtigt sein könnte und das stellt eine völlige Umkehrung der Rechtslage dar.
Dr. Udo Kauß betont in seiner Rede die Erklärungsklausel im Prozess, dass die Begründung nur darin liegt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass jemand verdächtigt sein könnte und das stellt eine völlige Umkehrung der Rechtslage dar. Vor allem, da es sich um die Daten von mehr als 25.000 Studierenden, aller politischen Arbeit, Arbeitskreise und sogar alle Daten der Lehrer*innen des Landes handelt. Wir sprechen von einem Terabyte Datenmaterial, mit etwa eine Million Dateien. Dieses Material kann niemals händisch untersucht werden, es kann nur maschinell erfolgen anhand der Rasterfahndung, in der die Daten nach bestimmten Merkmalen abgeglichen werden. Dieses Verfahren ist allerdings nur bei Straftaten erlaubt. Vor zwei Wochen befand der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg (VGH) die Durchsuchung für rechtmäßig, die Beschlagnahmung allerdings für rechtswidrig. Kauß betonte die Umkehrung der Beweislast, die gleichzeitig ein Verstoß gegen das Trennungsgebot darstellt.
Dr. Rolf Gössner verweist darauf, dass die Daten des StuRas, die Polizei und den Verfassungsschutz nichts angehe, ohne dass diese begründet wären. Dieser Umgang untergrabe das Vertrauen der Studierende in den StuRa und auch in den Daten- und Persönlichkeitsschutz. Er veranschaulichte das an seiner eigenen Überwachungsgeschichte, die 1970 mit seinem Jurastudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg begann. Er war hochschulpolitisch aktiv beispielsweise als Pressepolitikreferent und Chefredakteur der Freiburger Studentenzeitung. Er befand sind in einem Wissenschaftsaustausch mit Wissenschaftler*innen der DDR. Ab dieser Tätigkeit stand er unter Verdacht verfassungsfeindlich zu agieren und wurde ständig überwacht. Ihm wurde vorgeworfen Kontakte zu linksextrem bzw. linksextremistischen beeinflussten Organisationen zu haben, wie zum Beispiel der DKP oder der Roten Hilfe. Die Überwachung erfolgte in offenen Obervationen, Briefkontrollen, Registrierungen privater und beruflicher Kontakte und seine gesamte politische Arbeit. Die Daten wurden archiviert aufgrund dieser Kontaktschuld. Er klagte 2006 gegen diese Langzeitüberwachung. Kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung der Klage, alle Daten zu sperren, zur Einsicht freizugeben und diese danach zu löschen, teilte der Verfassungsschutz mit die Beobachtungen eigestellt zu haben. 2011 urteilte das Verwaltungsgericht Köln, dass diese Dauerüberwachung rechtswidrig sei, dieses Urteil wurde im März 2018 bestätigt durch das Oberverwaltungsgericht in Münster. Das Bundesverwaltungsgericht ging in Revision, welche zugelassen wurde. Nach 40 Jahren Dauerüberwachung und 12 Jahren Prozess ist somit der Ausgang und das Ende nach wie vor ungewiss. Gössner sieht den Verfassungsschutz als einen Fremdkörper der Demokratie weil er demokratischen Prinzipien widerspricht, hinsichtlich der Transparenz. Es handle sich um eine euphemistische Tarnung, ein Vertuschungssystem in der Machtmissbrauch betrieben werde. Der Verfassungsschutz schadet mehr als das er nützt. Nur einige Beispiele sind aktuell der NSU Prozess, sowie Verflechtungen in der Neonaziszene und das Verbotsverfahren der NPD, in der V-Männer zu sehr verstrickt waren. Gössner fordert eine Änderung, die nur dadurch entstehen kann, wenn die Verfassungsschutzbehörden als intransparent und kontrollresistent wahrgenommen und sozial verträglich aufgelöst werden. Bisher ist das Gegenteil der Fall. Der Verfassungsschutz darf kein Geheimdienst sein, nur dann ist er demokratiekonform. Die Forderung ist eine Art Dokumentations- und Forschungsstelle einzurichten, die unabhängig dokumentiert und forscht und somit Informationen produzieren kann und die notwendigen Sanktionen.
Der Verfassungsschutz schadet mehr als das er nützt. Nur einige Beispiele sind aktuell der NSU Prozess, sowie Verflechtungen in der Neonaziszene und das Verbotsverfahren der NPD, in der V-Männer zu sehr verstrickt waren. Gössner fordert eine Änderung, die nur dadurch entstehen kann, wenn die Verfassungsschutzbehörden als intransparent und kontrollresistent wahrgenommen und sozial verträglich aufgelöst werden.
Die Podiumsdiskussion wurde nun eröffnet, eine Frage lautete, warum die Daten nicht freiwillig zur Offenlegung zur Verfügung gestellt würden. Phillip betonte, dass der StuRa eine Verantwortung gegenüber der Daten hat und da es keinen Verdacht gibt, die Notwendigkeit nicht gesehen wird diese Daten zu veröffentlichen.
Mit was müssen denn nun die Studierende rechnen hinsichtlich der Datenbeschlagnahmung? Es werde ein Datenabgleich und Datenregistrierung stattfinden anhand dieser nicht zweckgebundener Daten. Einzelpersonen können dadurch in den Fokus des Verfassungsschutzes gelangen. Diese Beweislastumkehr, dass nicht ausgeschlossen werden kann ob jemand verdächtig ist oder nicht, ist rechtsstaatlich nicht zu verantworten. Es entsteht eine neue Sensibilität darüber, so ein Befugnis zuzulassen ohne Gründe, denn dadurch wird die Rechtsordnung verlassen.
Schaut euch gerne den Mittschnitt der Podiumsdiskussion an vom Radio Dreyeckland, den Link dazu findet ihr hier.
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